Die Baureihe BR01
Eine der wichtigsten Aufgaben der im Jahre 1920 gegründeten DRG (Deutsche Reichsbahn Gesellschaft) war die Beschaffung neuer
Schnellzuglokomotiven. Anfangs wollte man noch die alten Länderbahnloks weiter bauen bzw. nutzen.
Dies wurde aber dann verworfen, weil eine Vereinheitlichung der Bauteile nicht erreichbar war und ferner
die Länderbahnloks auf bestimmte Streckenprofile abgestimmt waren und somit nicht in ganz Deutschland einsetzbar waren.
In Hinblick auf die Entwicklung der BR01 entwarfen Borsig und Henschel eine Reihe Einheitsloks. Später kam die Firma Maffei noch dazu.
Bei der Baureihe 01 handelt es sich um Schnellzuglokomotiven (Gattung : Schlepptenderlokomotiven). Zu den ersten Schnellzuglokomotiven, die
dann ab 1925 gebaut wurden, gehörten die Zweizylinderloks der Baureihe 01. Insgesamt wurden 231 Stück gebaut. Die Maschinen fuhren
vor allem auf den gut ausgebauten Hauptstrecken. Mit ihrer hohen Achslast von 20 t und ihrer großen Länge von über 23 m konnten die
Lokomotiven nicht auf jeder Strecke eingesetzt werden. Die gefahrenen Höchstgeschwindigkeiten lagen zwischen 120 und 130 km/h.
Die Entwicklung schnellfahrender Dampflokomotiven wurde bereits um die Jahrhundertwende nicht allein aus dem Bedürfnis nach
Beschleunigung des Reisezugverkehrs eingeleitet, sondern vielmehr wegen der Entwicklung einer neuen Traktionsart - des elektrischen Antriebes -.
Als in dieser Zeit die Studiengesellschaft für elektrischen Schnellbetrieb gegründet wurde, sah der Dampflokomotivbau hierin eine existenzbedrohende Herausforderung. Im Jahre 1902/03 wurde deshalb ein Wettbewerb für Schnellfahrlokomotiven vom
Verein Deutscher Maschineningenieure ausgeschrieben. Aus diesem Wettbewerb ging die von Henschel projektierte 2'B2'n3v-Lokomotive der Bauart Kuhn in
zwei Ausführungen hervor - einmal mit Vollverkleidung und Stirnführerstand und einmal nur mit zweitem
Führerhaus. Auf der Versuchsstrecke Marienfelde-Zossen wurden die Loks zahlreichen Testfahrten
unterworfen. Die Loks fuhren mit 109 t Zuglast immerhin schon 137 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Ein ähnlicher Trend zeichnete sich auch im modernen Triebfahrzeugkonzept der ehemaligen Deutschen
Reichsbahn ab, als Mitte der dreißiger Jahre als Folge der Einführung von Hochgeschwindigkeits-
Dieseltriebwagen alle Möglichkeiten untersucht wurden, die Reisegeschwindigkeiten der lokbespannten
Fernschnellzüge wesentlich zu erhöhen.
Für den normalen Schnellzugbedarf standen aus dem Typenprogramm für Einheitslokomotiven bereits die
Baureihen 01 und 03 zur Verfügung, ihre zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 bzw. 130 km/h, sowie
die vorhandene Zugleistung reichten aber nicht für das vorgesehene Einsatzprogramm aus. Es wurde daher
vom Reichsbahn-Zentralamt und dem Vereinheitlichungsbüro der Deutschen Lokomotivbau-Vereinigung eine
Dreizylinder-Schnellzuglokomotive mit der Baureihenbezeichnung 0110 für 150 km/h Höchstgeschwindigkeit
entworfen, die entsprechend dem seinerzeit angestrebten Vereinheitlichungsprinzip eine weitgehende
Übereinstimmung vieler Baugruppen mit den bereits vorhandenen Einheitslokomotiven anderer Baureihen
aufwies. So entsprach beispielsweise der Kessel mit 16 bar Betriebsdruck bis auf geringfügige konstruktive
Änderungen in den Hauptabmessungen dem der Baureihe 010. Bei nahezu unveränderter Rostfläche war
jedoch die Verdampfungsheizfläche gegenüber der 010 um 13,4 m² vergrößert, die Überhitzerheizfläche
dagegen um 4,39 m² reduziert worden. Die im Bereich des lnnenzylinders mit eingezogenem Boden
ausgeführte Rauchkammer war im unteren Teil mit Zement als Wärme- und Korrosionsschutz ausgegossen worden.
Der Knorr-Vorwärmer musste mit Rücksicht auf die vorgesehene Stromlinienverkleidung soweit nach vorn
verlegt werden, dass die Rauchkammertür im oberen Drittel noch vom Vorwärmermantel angeschnitten wurde.
Die Radstände des in vier Punkten abgestützten 2 C 1-Fahrwerks entsprachen genau jenen der Baureihe 010.
Der Antrieb erfolgte durch den Innenzylinder auf die erste Kuppelachse und durch die beiden
Außenzylinder auf die zweite Kuppelachse. Alle drei Zylinder arbeiteten mit einfacher Dampfdehnung,
wobei jeder Einzelzylinder mit dem zugehörigen Schieberkasten eine separate Einheit bildete.
Die Steuerung des Innen- und Außentriebwerks musste infolge der Lage des Innenzylinders in zwei
von einander unabhängig wirkende Baugruppen unterteilt werden. Das Fahrwerk bestand aus einem
führenden Drehgestell mit 1000 mm Raddurchmesser und 70 mm Seitenverschiebbarkeit, drei festgelagerten
Kuppelachsen mit 2000 mm Raddurchmesser, deren mittlere um 15 mm geschwächte Spurkränze besaß,
sowie einer Schleppachse mit 1250 mm Raddurchmesser und 80 mm Seitenausschlag.
Wie die Vorausbauarten der Reihen 05 und 51 erhielt auch die 01-10 zwecks Verminderung des
Luftwiderstandes und einer damit zu erzielenden besseren Wirtschaftlichkeit der Maschinen eine
vollständige Stromlinienverkleidung, sowohl der Lokomotive, als auch des Tenders.
Das Pflichtenheft forderte von der BR 0l-10 die Beförderung von 550 t in der Ebene mit 120 km/h
und 425 t auf 4 % Steigung mit 100 km/h. Die erste Maschine lieferte die Berliner Maschinenbau-AG,
vorm. L. Schwartzkopff im Jahre 1939 an die Deutsche Reichsbahn ab. Nach dem ursprünglichen
Beschaffungsplan sollten von 1940 bis 1943 jährlich 100 Einheiten dieser neuen Baureihe in Dienst
gestellt werden. Jedoch wurden von den in Auftrag gegebenen 205 Maschinen nur ein Teil gebaut und
in Dienst gestellt. Die für die weiteren Baulose reservierten Betriebsnummern
01-1002-01-1051 und 01-1106- 01-1205 blieben unbesetzt, da die weitere Beschaffung wegen des Ausbruchs
des Zweiten Weltkrieges zugunsten des Baus kriegswichtiger Güterzuglokomotiven ausgesetzt werden musste.
Die Verteilung der 01-10 erfolgte nach Ablieferung aller Lokomotiven auf die Reichsbahn-Direktionen
Berlin, Halle, Hamburg,Hannover, Frankfurt/M, Erfurt, Dresden, Osten, Nürnberg und München.
Da ein Schnellverkehr im ursprünglichen Sinne nicht mehr zustande kam und damit die aerodynamische
Wirkung der Verkleidung unwirksam war, wurde noch während der Kriegsjahre zur besseren Wartung und
Kühlung des Trieb- und Fahrwerks die Stromlinienverkleidung zurück geschnitten bzw. im Bereich der
Kuppelachsen gänzlich entfernt.
Gegen Ende des Krieges waren alle 01-Maschinen in den Westen zurückbeordert und auf die Bw
Braunschweig Hbf, Hannover Ost, Göttingen Hbf und Kassel verteilt. Nach der Kapitulation Deutschlands
befanden sich alle Maschinen auf dem Territorium der späteren Bundesrepublik.
Anlässlich der in den Jahren 1949 bis 1951 durchgeführten Überholungsarbeiten wurden die noch
verbliebenen Reste der Stromlinienverkleidung entfernt, der Kessel normal ummantelt, beidseitig
Umlaufbleche vorgesehen, sowie Witte-Windleitbleche angebaut. In diesem Zustand glichen
die 01-10-Lokomotiven nahezu völlig dem gewohnten Bild der herkömmlichen Einheitsbaureihen,
einziger Unterschied war lediglich der über der Rauchkammertür angeordnete Vorwärmer.
Eine Sonderstellung nahm die 01-1087 ein, die im Jahre 1950 in Anpassung an die damals blauen Züge
als einzige einen blau-grauen Anstrich erhielt. Als mit zunehmenden Ausfällen der Altbaukessel
infolge Alterungserscheinungen des Materials die Reparaturkosten zu hoch wurden, entschied die
DB im Jahre 1953 die Umrüstung der 01-Maschinen auf Neubaukessel in geschweißter Ausführung.
Allerdings verzichtete man aus Kostengründen auf den gleichzeitigen Austausch des Nassdampfreglers gegen die Heißdampfbauart.
Während der Jahre von 1957 bis 1958 erfolgte bei 34 Stück 01-10-Einheiten ein weiterer Umbau auf
eine Ölhauptfeuerung, wodurch eine nochmalige Leistungssteigerung verbunden mit einer größeren
Wirtschaftlichkeit bei unterschiedlichen Kesselbelastungen erzielt wurde. Als Nachteil der 01-10
erwies sich im mechanischen Teil jedoch ihre große Störanfälligkeit am Innentriebwerk wegen des
ungünstigen Treibstangenverhältnisses. Auch war das Betriebsverhalten der Ursprungsausführung infolge
der ungenügenden thermischen Belastbarkeit wenig befriedigend.
Ab dem Jahre 1972 mussten die 01er der Diesel-Konkurrenz weichen. Die letzten Schnellzug-Dampflokomotiven
der Deutschen Bundesbahn wurden besonders in ihrem letzten Frühlingmonaten 1975 wurden die Loks,
die zwischenzeitlich während Erdölkrise 1973 schon einmal vorübergehend stillgelegt worden waren endgültig
ausgemustert.
Heute sieht man die 01er nur noch als Museumsloks.
Technische Daten:
Länge über Puffer : 24.330 mm
Dienstgewicht: 111 t
Treib-und Kuppelraddurchmesser: 2000 mm
Laufraddurchmesser - vorne: 1000 mm
Laufraddurchmesser - hinten: 1250 mm
Achslast (max): 19,6 t
Indizierte Leistung: 2.240 PS
Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h
Treibraddurchmesser: 2,00 mm
Kesselüberdruck: 16 bar
Kolbenhub: 660 mm
Baujahr: 1934
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