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Bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurden die Vorteile von Schienenfahrzeugen die Nutzraum und Antrieb in sich vereinen, gegenüber lokbespannten Zügen erkannt. Dieses Fahrzeug waren billiger in der Anschaffung und sparsamer im Energieverbrauch. Es kam zu dieser Zeit allerdings als Antrieb nur die Dampfmaschine in Frage, der bis dahin einzige zuverlässige Antrieb auf Schienen. Es wurden mehrere Dampftriebwagen gebaut, allerdings nur kleinere Fahrzeuge für den Einsatz auf Nebenbahnen. Für leistungsfähigere und schnellere Triebwagen war die Dampfmaschine zu groß und zu schwer und machte die eigentlichen Vorteile des Triebwagens wieder zunichte. Die mangelnden Erfahrungen mit den neuen Antriebstechniken zu Anfang der 1920iger Jahre und die Auffassung für jedes Einsatzgebiet "maßgeschneiderte" Triebwagen vorhalten zu müssen, hatten eine Reihe unterschiedlicher Triebwagenbauarten zur Folge. Um die Vielfalt der Typen einzuschränken, entschloss man sich 1932 bei der Deutschen Reichsbahn zur Entwicklung von sogenannten Einheits-Wechselstromtriebwagen. Folgende Bedingungen wurden von der Reichsbahn für die Entwicklung der ersten Einheitsbauart vorgegeben: - Einsatz im Schnell-, Eil- und Vorortverkehr - Höchstgeschwindigkeit 120 km/h im Schnellzugverkehr - Sitzplatzangebot im Schnellzugverkehr für etwa 130 Reisende - Beförderung von zwei Beiwagen - Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h im Personenzugverkehr mit 60 t Anhängelast (zwei Beiwagen) - ein besonders gutes Beschleunigungsvermögen. - keine örtlichen Beschränkungen in Bezug auf das Einsatzgebiet. - Einsatz von bis zu drei gekuppelten Triebwagen-Einheiten mit den dazugehörigen Steuerwagen. - Steuerung der gekuppelten Triebwagen- Einheiten von einem Endführerstand. - Tauschbarkeit der meisten elektrischen und mechanischen Teile zwischen Triebwagen verschiedener Herstellerfirmen. Zur Geltung kamen die Vorteile des Triebwagens somit erst, als sie mit Verbrennungs- bzw Elektromotortechnische Antrieb ausgestattet werden konnten. Der fahrleitungsabhängige Elektrotriebwagen bot eine Reihe weiterer Vorteile gegenüber dem Triebwagen mit Verbrennungsmotor. Dieses Elektrofahrzeug führt, anders als das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, seine Krafterzeugungsanlage nicht mit sich, ist also leichter und hat ein günstigeres Verhältnis von Nutzlast zu Gesamtgewicht. Stationäre Kraftwerke können zudem wesentlich mehr Energie liefern, als ein Verbrennungsmotor der in einem Schienenfahrzeug Platz findet. Dem Elektrofahrzeug wird deshalb durch den Fahrdraht eine fast unbegrenzte Energieaufnahme ermöglicht. Ab dem Jahre 1930 begann die Deutsche Reichsbahn Elektrotriebwagen für den Städteschnellverkehr zu entwickeln. Der erste ET 11 wurde 1934 in Dienst gestellt. Die Triebwagen bewährten sich sehr gut im Alltagsbetrieb. Später wurden ET 25 für den Nahverkehr, ET 31 und ET 32 für den Schnell- und Eilzugdienst gebaut. Zu Beginn der 30iger Jahre verfügte die Deutsche Reichsbahn somit bereits über einen ansehnlichen Triebwagenpark. Besonders der Bestand an Wechselstromtriebwagen hatte zu dieser Zeit sehr stark zugenommen. Die Vorteile dieser Triebwagen gegenüber lokbespannten Zügen und gegenüber Dieseltriebwagen, die sich ausbreitende "Elektrisierung der Bahnstrecken" und der zunehmende Konkurrenzdruck durch den Straßenverkehr hatten diese Entwicklung forciert. Im 2. Weltkrieg wurden viele Triebwagen beschädigt. Nach 1945 hatte die neu gegründete Deutsche Bundesbahn einen hohen Ersatzbedarf für kriegsbeschädigte Fahrzeuge. In dieser Zeit entstand eine Reihe sehr formschöner Fahrzeuge, unter anderem die Baureihe V 200, die Akkutriebwagen der Baureihe 517 und als erstes Neubaufahrzeug nach dem Krieg die Baureihe ET 56 (ab 1952). Zur Bewältigung der zunehmenden Pendlerströme in den Ballungszentren gab die Deutsche Bundesbahn ab 1961 einen neuen Nahverkehrstriebwagen mit guten Beschleunigungswerten für den Nahschnellverkehr in Auftrag. Die im Stuttgarter Vorortverkehr seit vielen Jahrzehnten eingesetzten Triebwagen der Baureihe ET 65 mussten dringend abgelöst werden. Ab 1964 kamen dort fünf dreiteilige Triebwagen der Baureihe ET 27 zum Einsatz. Im Neckartal zwischen Heilbronn und Heidelberg wurden vor allem die ET 56 eingesetzt. Ab 1968 wurde das ET in der Baureihennummer durch eine 4 ersetzt. Ab 1963 wurden alle noch vorhandenen Vorkriegsbaureihen ET 25, ET 31, ET 32, ET 55 und ET 65 gründlich überholt und mit einer neuen Kopfform versehen. Dabei wurden zum Teil auch die Steuerwagen (ES) zu Mittelwagen (EM) umfunktioniert (nicht bei ET65) und somit eine Familie äußerlich ähnlicher dreiteiliger Triebwagen gegründet. Die in Stuttgart mit den ET 27 gewonnenen Erfahrungen flossen direkt in die Entwicklung der Baureihe 420 ein. Diese wurde ab 1969 in hunderten von Einheiten gebaut und war bald einer der erfolgreichsten S-Bahn-Triebwagen der Bundesbahn. |
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