Der ET491 - Der gläserne Zug -
Um der zunehmenden Konkurrenz durch Omnibusses begegnen zu können, machte die Deutsche Reichsbahn
zu Beginn der dreißiger Jahre große Anstrengungen, um das Reisen mit der Bahn attraktiver zu
gestalten. So setzte sie auf verschiedenen Strecken (z. B. Hainsberg — Kurort Kipsdorf,
Heidenau — Altenberg usw.) offene, mit Klappsitzen ausgerüstete Wagen ein, die den Reisenden
eine ungehinderte Aussicht boten. Allerdings konnten diese Wagen nur im Sommer und bei günstiger
Witterung Verwendung finden und mussten bei den Dampfzügen am Zugende laufen, um die Fahrgäste nicht
zu sehr durch den Rauch der Dampflok zu belästigen. Um von den Witterungsverhältnissen und der
Bindung an normale Züge unabhängig zu werden, entschloss sich die DR schließlich zum Bau von
fünf „Aussichtstriebwagen‘. Zwei waren für den elektrischen Antrieb, drei für dieselhydraulischen
Betrieb vorgesehen.
Im Jahre 1935 stellte die Deutsche Reichsbahn die zwei elektrisch betriebenen Aussichtstriebwagen
für den Ausflugsverkehr in Dienst. Diese Fahrzeuge erfreuten sich von Anfang an großer Beliebtheit.
Leider ging einer der Wagen im zweiten Weltkrieg verloren. Der noch verbliebene, der ET 91-01 wurde
von der Deutschen Bundesbahn übernommen und aufgearbeitet. Ungezählte Sonderfahrten führten ihn
auch ins Ausland, vor allem in der Schweiz und in Österreich konnte dieser Exote oft beobachtet
werden. Aber auch unter fremden Stromsystemen oder gar auf Anschlußbahnen ohne Fahrdraht war er im
Einsatz. (Dann natürlich mit entsprechender Vorspannlok). 1985 feiert der „Gläserne“ fünfzigjähriges
Jubiläum. 1985 wird aber auch voraussichtlich das letzte Einsatzjahr dieses besonderen Einzelstücks
sein, das mangels Ersatzteilen nicht mehr weiter erhalten werden kann.
Für die Reichsbahndirektion München wurden 1933 bei der Waggonfabrik Fuchs (wagenbaulicher Teil)
und bei der AEG (elektrischer Teil) die beiden elektrischen Aussichtstriebwagen elT 1998 und 1999
in Auftrag gegeben. Der elT 1998 (später ET 91.01 bzw 491 001 benannt) war vom 14.07 bis 13.10.1935
auf der Ausstellung „100 Jahre Deutsche Eisenbahn in Nürnberg zu sehen. Am 6.01.1936 begannen die
Probefahrten, am 27.02.1936 fand die Abnahmeprobefahrt von München nach Kufstein statt.
Der zweite Triebwagen, der elT 1999 (später ET 91.02), wurde am 30.7.1935 geliefert und am 14.09.1935
abgenommen. Er blieb nach den Probefahrten bis zum 8. Dezember 1935 abgestellt und nahm an diesem
Tag an der Fahrzeugparade aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Deutschen Eisenbahnen in Nürnberg
teil.
Zum Zeitpunkt der Ablieferung und während ihres Einsatzes bei der Deutschen Reichsbahn (DR) waren die
beiden Triebwagen in Blau gespritzt. In der Breite der Brüstungsleiste wurde ein aluminiumfarbiges
Band gezogen, die Schürze war in dunkelgrauer, die Dachausrüstung in roter Farbe gehalten.
Ab Frühjahr 1936 wurden beide Triebwagen vom Betriebswerk München aus im regelmäßigen Betrieb eingesetzt.
Ab dem Winterfahrplan 1936/37 fanden auch Fahrten nach Österreich statt. Trotzdem war der Einsatzbereich
der beiden Wagen noch bescheiden. Im Jahre 1938 z. B. lief der elT 1998 an 112 Betriebstagen etwa 33.400 km,
also pro Tag durchschnittlich 300 km. 1940 wurden die Wagen in ET91.01 und 02 umgezeichnet. Bei einem
Bombenangriff auf München brannte der ET 91.02 am 09.03.1943 aus und wurde am 09.06.1943 ausgemustert.
Der ET 91.01 entging dem Bombenangriff und wurde von 1943 bis 1946 abseits der großen Zentren im
Lokschuppen des Bahnhofs Bichl abgestellt, wo er auch den Plünderungen der Nachkriegszeit entging.
Im Sommer 1949 wurde der Wagen wieder betriebsfähig hergerichtet. Dabei wurde er dunkelblau mit
hellgrauen Absetzstreifen an der Brüstungsleiste lackiert. Erst 1953 erfolgte die rote Lackierung des
Wagenkastens und die cremefarbene des Fensterbandes. Ab 14.07.1949 kam der ET 91.01 beim
Bahnbetriebswagenwerk München Hbf, ab 01.07.1959 dann beim Bw München Hbf zum Einsatz. 1952
erhielt er einen einachsigen Gepäckanhänger (VB 141.120), weIchen die Waggon- und Maschinenbau GmbH
Donauwörth gebaut hatte, um Gepäck und im Winter Skier leichter befördern zu können. Die umfangreichen
Elektrifizierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn nach dem Jahre 1950 ermöglichten eine ständige
Vergrößerung des Einsatzgebietes des Gläsernen Zuges. Er war bis in den 80iger Jahren oft noch in
Norddeutschland im Einsatz und seine Fahrten führten ihn bis Hamburg, Bremen, Oldenburg, durch das
Rhein- und Moseltal, in den Schwarzwald und an den Bodensee. Von München aus waren die bayerischen Berge
das wichtigste Zielgebiet des Triebwagens. Fahrten ins Ausland führten den Wagen neben Osterreich und der
Schweiz nach Ungarn, Jugoslawien, Italien und Frankreich. Auf nicht elektrifizierten Strecken oder in
Ländern mit Gleichstrombetrieb kann der Triebwagen mittels einer Hilfskupplung von jedem anderen
Triebfahrzeug oder als Schlusswagen von Regelzügen transportiert werden. Somit wurden auch die
jährlichen Laufleistungen immer größer. Seit dem 01.01.1968 trägt der Zug seine dritte Betriebsnummer:
- 491 001-4 -. Im Dezember 1971 verlor er im nunmehr für ihn zuständigen AW Stuttgart-Bad Cannstatt
seinen roten Anstrich. Der Wagenkasten wurde in Anlehnung an die Münchener Olympiafarben hellblau,
das Fensterband und das Dach silberfarben gestrichen. Diese Farbgebung wurde auch nach der letzten
Hauptuntersuchung im Dezember 1977 beibehalten und dokumentiert somit die Sonderstellung des Fahrzeugs
im Bestand der Deutschen Bundesbahn.
Am 12.12.1995 wurde der Triebwagen bei einem Unfall in Garmisch-Partenkirchen (Frontalzusammenstoß)
schwer beschädigt und war dann auch nicht mehr fahrbereit. Seit Mai 2005 steht er im Bahnpark Augsburg.
Leider wurde dieser Zug bei einem Brand im Bahnpark zerstört. Derzeit wird das Fahrzeug restauriert.
Eine Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft ist aus Kostengründen jedoch nicht vorgesehen
(bei dem Unfall wurde unter anderem auch das Antriebsdrehgestell zerstört).
Technische Daten:
Achsanordnung: Bo'2'
Länge über Puffer: 20,60 m
Gewicht: 51 t
Spurweite: 1,435 m
Höchstgeschwindigkeit: 110 km/h
Sitzplätze: 70
Baujahr: 1935 bis 1936
Ausmusterung: 1943 und 1997
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